Personenkontrolle: Enemy of the state

IMG_4535

Das letzte Mal, dass ich direkten Kontakt mit der Polizei hatte, war vor über einem Jahr in Berlin. Wir waren zu viert um halb 1 nachts vom Kater Holzig in Richtung Ritter Butzke unterwegs, in einem schwarzen Daimler mit Stuttgarter Kennzeichen, und wurden von einer Zivilstreife angehalten.

Ich als Fahrer musste aussteigen und antwortete wahrheitsgemäß auf die Fragen nach Drogen- und Alkoholkonsum mit „noch nie“ und „seit 20 Jahren nicht mehr“. Der Kollege in zivil meinte dann lapidar, „na dann überprüfen wir mal, ob Sie die Wahrheit sagen“. Was ich an sich schon ziemlich unverschämt fand.

Nach einem etwas seltsamen Test mit per-Taschenlampe-in-die-Augen-leuchten (einen ähnlichen Test habe ich irgendwann auf dem Rückweg von den HipHop Open am Wasen auf dem Motorrad schon mal bestanden) durften wir aber dann tatsächlich weiterfahren.

Am Samstag war es dann wieder so weit. Ich war nachmittags in der Stadt unterwegs, was man ja an sich sowieso nicht machen sollte, aber es gab Gründe. Und in der Kirchstraße, kurz vor dem Marktplatz, war ein Lego-Promostand aufgebaut. Und mein Junior wollte sich die Sache mal anschauen, währen ich mit meiner Begleiterin nichtsahnend wartete.

Und dann fiel mir eine Ansammlung Polizisten samt Absperrungen und Kastenwagen auf, ich konnte mir keinen rechten Grund dazu reimen und machte sicherheitshalber mal ein Foto, der Blogger steckt halt immer in dir.

Als wir wieder vollzählig waren und weiterliefen passierte es dann: Ein gut zwei Köpfe größerer Mann in grün sprach mich an: „Entschuldigung, Personenkontrolle, kommen Sie mal bitte mit hier hinter das Auto.“

Äh. Oh! What? Ja gut, ich als unbescholtener Bürger bin ja nicht so, ich ging mit und war sowieso überrumpelt. Er fragte nach meinem Ausweis, den ich ihm gab, und ich fragte nach dem Grund für die Personenkontrolle. Er erwähnte irgendeinen Paragrafen 1 und dass hier eine Demonstration stattfinden würde und dass sie mich deshalb kontrollieren dürften.

Gut, das erklärte die Absperrungen und das Aufgebot, aber ich hatte tatsächlich nicht mitbekommen, dass es schon wieder eine Demo gegen den Bildungsplan geben sollte. Meine Begleiterin fragte dann – auf die Idee war ich gar nicht gekommen – wieso eigentlich gerade ich kontrolliert würde?

Der Beamte meinte dann, ich wäre so auffällig rumgestanden, und außerdem würde ich ins Raster passen. „Und Sie übrigens auch!“ Puh. Wenigstens saßen wir in einem Boot.

Etwas beruhigend war, dass wir auf Nachfrage wie Gegendemonstranten aussähen. Schwarze Klamotten, lila Strickmütze, Bart. So sehen also vermeintliche gewaltbereite linksorientierte Gegendemonstranten aus.

Da stand ich dann also rum mit meinem Bart, fand das Ganze nach einer Schrecksekunde eigentlich ganz amüsant, die Passanten schauten mich mit einer Mischung aus Mitleid, Verachtung und ich glaube auch ein wenig Angst an, die Polizisten mussten spanischen Touristen Auskunft geben, wo ein Bankautomat ist, und ein Opa fragte drollig, ob sie Freiburger von Stuttgarter Fans trennen müssten.

Nachdem zwei Frauen abgefertigt waren, sah ich aus dem Augenwinkel, wie ein Kollege im Transporter mein Passfoto mit mehrere Ausdrucken mit Fotos von gefährlichen Gegendemonstranten verglich. Zum Glück nix dabei.

Wir durften weiter unseres Weges gehen, und ich fragte mich dann hinterher, was passiert wäre, wenn es auf den Ausdrucken einen gefährlichen Gegendemonstranten mit Bart gegeben hätte.

Join the Conversation

48 Comments

  1. says: VanDamme

    „Der Beamte meinte dann, ich wäre so auffällig rumgestanden“

    Der einfache Trick: extrem unauffällig rumstehen …

  2. says: skp

    die polizei ist halt nie dein freund, sondern repressionsorgan des staates. aber als unbescholtener bürger lässt man das halt über sich ergehen, weil man nichts zu verbergen hat. dass das ganze schon genau die ausmaße hat wie in der ukraine oder der türkei und ohne weiteres auch gewalt angewendet werden würde, wenn der unbescholtene bürger dann mal ein ernstes anliegen hätte, dann wird nonchalant wegignoriert.

    woanders wird das dann revolution für demokratie genannt, selbst wenn faschisten das word haben, hier ist es dann die sicherung der demokratie. dabei ist es abseits einer obrigkeitsgläubigkeit immer nur die sicherugn der herrschaft durch die gewalt der polizei. und die ist auch schon präsent, wenn man aufgrund von äußerlichkeiten solche „kontrollen“ über sich ergehen lassen muss.

    das ist kein spaß, auch wenn man dann mit lustigen kommentaren das sich zugestehen will.

  3. says: Annika

    Viel interessanter finde ich, dass auf der ersten Demo sofort die mit den bunten Haaren nach Drogen kontrolliert wurden.
    Und die gewaltbereiten Nazis, die unteranderem auch mal mit gefüllten Kondomen werfen, wurden sogar von denen beschützt?! 😉

  4. says: Boomin Granny

    k.tv – Politik- und Turnschuhblog!

    Aber im Ernst: Unbescholtener Bürger oder nicht: Wenn du personenkontrolliert wirst, kannst du nicht sagen, „Sorry, hab jetzt keine Zeit, muss mit dem Kind Lego spielen“. Wenn du dich widersetzt, landest du nämlich ganz schnell da, wo jetzt nur die ausgedruckten Bilder waren: neben dem Beamten im Polizeiauto.

    Ich empfehle zu diesem Thema auch eine google Suche nach dem Begriff „Racial Profiling“. So wie es dir am Samstag ergangen ist, geht es sehr vielen Leuten nämlich jeden Tag in Stuttgart, nicht nur wenn Demo ist.

    Ach, und wenn du zu einem der Fotos gepasst hättest, wäre folgendes passiert: Festnahme, Abtransport aufs Revier, umgehende, ausgiebige Befragung was du während der letzten beiden Bildungsplangegnerdemos gemacht hast, vermutlich auch Überprüfung deiner Handydaten rückwirkend für diese beiden Tage, sowie ein Platzverweis für die gesamte Stuttgarter Innenstadt bis Samstag 24.00 Uhr.

    Ansonsten noch alles was skp sagt und am 02.05. bitte etwas bürgerlicher anziehen. Dann steht nämlich das nächste Gefahrengebiet in der Innenstadt an.

  5. says: martin

    Auf dich warte ich eigentlich seit 9 Uhr. Und da hat er Thorsten ja Glück gehabt.

    „So wie es dir am Samstag ergangen ist, geht es sehr vielen Leuten nämlich jeden Tag in Stuttgart, nicht nur wenn Demo ist.“

    Und ja, da können einige ein Lied von singen.

  6. says: Thorsten W.

    Ja, das „Racial Profiling“-Thema ist mir durchaus bewusst. Umso erstaunter war ich dann doch, dass es mich dann auch getroffen hat. Und dafür braucht man nicht mal ne Strickmütze und Bart, Geiger wurde schon an anderer Stelle personenkontrolliert, einfach nur so weil es der falsche Ort war.

    Wirklich nicht so ein lustiges Thema wie der Artikel vielleicht auf den ersten Blick suggeriert.

  7. says: Boomin Granny

    Ging nicht schneller. Ich war noch im Knast (wegen schwarzer Klamotten, ungekämmten Haaren, Nutzung von twitter im Zusammenhang mit einer Demonstration, Atmen von Sauerstoff etc.)!

  8. says: Ben J.

    „repressionsorgan des staates“ mimimimimi. Wenn die Polizei nicht auch die Gegendemonstranten geschützt hätten, hätten ich diesen Möchtegerndemokraten („demonstrieren dürfen nur die, die auf unserer Seite sind“)gleich mal eine zentriert. Ich war zwar an keiner der beiden Demos beteiligt, aber so langsam entwickle ich eine starke Ablehnung gegen diese Pseudogutmenschen, die nach einem schwachen Argument gleich die Nazi/1984/Profiling-Keule auspacken.

  9. says: Thorsten W.

    @setzer: Putte hat sich neulich in nem Kommentar dafür eingesetzt, das Wort „Gutmensch“ endlich nicht mehr negativ zu besetzen. Bin ich absolut dafür, bin nämlich auch einer.

  10. says: Alex

    Jetzt mal im Ernst, Thorsten: Hat er Dich rum geschubst? Hat er Dich blöd angemacht? Hat er Dir gleich den Knüppel in die Fresse gehauen und dann Fragen gestellt? So wie es in vielen anderen Ländern der Fall ist.

    Und ja klar, sollte er prüfen ob Du eventuell doch nicht die Wahrheit sagst. Jeder, der komplett bis über beide Ohren drauf wie’s Messer ist, sagt genau das Gleiche wie Du.

    Polizisten sind die Jungs und Mädels, die vorbeikommen, wenn irgendweche Irren andere kaputt schlagen wollen. Die halten auch für Euch die Köpfe hin. Bei allem Gemaule und Gemecker hier darf das nicht vergessen werden.

    Und ich wette, jeder der schonmal einen Cop gebraucht hat, Z.Bsp. be einer Schlägerei, argumentiert genau so.

    Davon unabhängig. Arschlöscher gibt es in jedem Beruf.

  11. says: martin

    „Jetzt mal im Ernst, Thorsten: Hat er Dich rum geschubst? Hat er Dich blöd angemacht? Hat er Dir gleich den Knüppel in die Fresse gehauen und dann Fragen gestellt? So wie es in vielen anderen Ländern der Fall ist.“

    um das geht s eigentlich eher weniger.

  12. says: Boomin Granny

    „Anderswo ist es viel viel schlimmer, nämlich!“ und die Beleidigung „Arschloch“ kostet nur 1.500 EUR. Probiert’s mal aus!

  13. says: martin

    hatten glaub sogar schon mal ne beleidingungspreisliste hier drauf, fällt mir ein. noch ne mitteilung der stadt

    Versammlungen auch an stark frequentierten Orten zulässig

    Die Stadtverwaltung hat nur bedingt Einfluss darauf, an welchem Ort, zu welcher Zeit und in Konkurrenz zu welchen Veranstaltungen Kundgebungen angemeldet werden. Dies gilt auch dann, wenn als Versammlungsort die stark frequentierte City betroffen ist. Konkret geht es um eine Versammlung vom vergangenen Samstag der Initiative Familienschutz auf dem Marktplatz und zwei weitere angemeldete Kundgebungen in unmittelbarer Nähe. Einzelhändler hatten in einem Brief an Medien und Stadtverwaltung die Veranstaltungsorte kritisiert. Aus Rücksicht auf das Rahmenprogramm rund um die Lange Einkaufsnacht und um den hochfrequentierten Schlossplatz und die Königsstraße nach den Erfahrungen mit einer früheren Veranstaltung zum gleichen Thema freizuhalten, wurde nach sorgfältiger Abwägung in diesem Fall der Marktplatz zugewiesen. Dies teilte die Stadtverwaltung am 7. April mit.

    Versammlungen, gemeinhin Demonstrationen, sind beim Amt für öffentliche Ordnung anzumelden. Das Amt führt Kooperationsgespräche mit Veranstaltern und manchmal auch der Polizei. Anschließend erlässt es üblicherweise einen Auflagenbescheid. Meistens geht es um Fragen wie Verkehrsregelung, Fluchtwege oder Lärmbelästigungen. Die Versammlungsbehörde darf dabei grundsätzlich keine Inhalte bewerten, es sei denn Straftaten oder Gefahren für die öffentliche Ordnung sind zu befürchten.

  14. says: Thorsten W.

    @Alex: Nein ich bin nicht rüde behandelt worden, und ich beschwer mich im Text auch nicht wirklich.

    Aber wenn man halt sehr unvermittelt samstags bei einem Shoppingbummel von einem Polizisten in halber Kampfmontur (sagt man das so?) aus dem Verkehr gezogen wird, und das wegen eines Outfits, über das man sich in die Richtung garantiert noch nie Gedanken gemacht hat – dann darf man sich ja durchaus mal wundern und drüber nachdenken.

    Und ansonsten bin ich tatsächlich auch jemand von der Sorte, der froh ist, dass die Polizei kommt wenn ich ausgeraubt werde oder sonst was schlimmes passiert.

  15. says: Egal

    Süß, ein Deutscher macht Erfahrung mit einer Polizeikontrolle. Stellt euch mal vor, wie der Alltag abläuft, wenn man nicht arisch aussieht. Mein Aussehen und meine Deutschkenntnisse können manche synaptisch einfach nicht verquicken.

  16. says: Frau Doktor

    Alles was skp und boomin‘ granny sagen – und außerdem: Wenn die Polizisten so vorgehen, wie sie üblicherweise bei Leuten vorgehn, die sie in der Nähe einer Antifa-Demo rauspicken, haben sie deine Daten nicht nur abgeglichen, sie haben sie auch in den großen allwissenden Computer eingespeist. Pass‘ einfach mal auf, was in den nächsten Jahren so passiert, wenn du durch Flughafenkontrollen gehst…

  17. says: Frenemy

    Alles ganz normal…

    Kein Grund hier etwas ungewöhnliches festzustellen .

    ist immer noch die Landeshauptstadt und nicht irgend ein. …dorf, .. ingen, …heim, …bach, oder … hausen.

    Kein Grund zur Unruhe …

  18. says: Ken™

    Man stelle sich vor:
    Ich bin schon mal in eine Alkoholkontrolle geraten! Und dass nur, weil ich mit dem Auto gefahren bin!
    War mein Volvo etwa verdächtig?

  19. says: Wer

    Geil, wie man eine Polizeikontrolle, die quasi jedem passieren kann und auch passiert zu einer fulminanten Story aufblasen kann. Ich lebe in Stuttgart, liebe Stuttgart – das es aber überregional manchmal einen „provinziellen“ Charakter bekommt liegt mitunter an solchen Artikeln.

  20. says: Frau Doktor

    Interessant, da hält es also jemand für ein Zeichen von Urbanität und Weltläufigkeit, unbegründete Polizeikontrollen – denn um nichts anderes handelt es sich – mit Begeisterung zuzustimmen. Untertanengeist ist der Begriff, der zu Wer passt, fängt aber natürlich auch mit U an.

    Und nein, Polizeikontrollen betreffen nicht jeden – und dürfen auch gar nicht jeden betreffen. Dann hätte wir hier nämlich einen Polizeistaat.

Leave a comment
Leave a comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert