Die Jury

In Memory of John Grisham verbrachte nicht nur Social Media-Thorsten einen unterhaltsamen Samstag, sondern meiner war auch nicht so schlecht. Mein Freitagabend war ebenfalls schon exzellent, habe ich bisschen Laurent Garnier gelauscht. So lange ich da war, bis circa 2, lief Weltklasse-Techno. Abartig. Wahnsinn. Wirklich. 18 Euro wert. Oder oberaffentittengeil um elegant ins Dieter-Bohlen-Jargon reinzugleiten.

Als Heinz Henn noch der DSDS-Jury sass, liess der Dieter einmal folgenden Satz los: „Wenn ich dem Heinzi in Sack schieß, dann singt der besser.“ Mein absoluter Alltime-favorite-DSDS-Dieter-Shout-out. Ging mir die ganze Zeit am Samstagmorgen durch den Kopf, als ich kurz vor 9 zur Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst radelte. Da zwischen Bibliothek und Staatsgalerie. Ist übrigens ein schönes Erlebnis, Samstagmorgen kurz vor 9 durch die Stadt zu radeln.

Gerade Bike abgeschlossen, da kam schon Sentinel-Elmar breitbeinig angejohnwayned. „Junge, wusste gar nicht, dass du wie ein Cowboy läufst.“ „Doch doch, ist mein Markenzeichen.“ Wenn ich Elmar in Sack schieß, dann singt er besser als er geht, dachte ich mir. Nee, eigentlich nicht.

Zusammen mit Kodimey von Chimperator sollten wir an diesem Tag im Rahmen des Kesselkongress und im Rahmen des PlayLive Contests, voll der Doppel-Rahmen, bei einem sogenannten „Demo-Marathon“ 18 Bands aus der Sektion „Urban“ bewerten.

Unter dem Begriff Urban ist halt (eigentlich) so HipHop, Reggae, Dance, Electronic whatever man, wie Redman schon sagte, zusammengefasst. Zumindest haben wir das so verstanden, stand auch oben auf dem Beurteilungsbogen. Außerdem sind wir drei voll die Urbanen. Elmar ist Dancehall-Weltmeister, Kodimey Weltmeister-Rapper und ich bin Harald Glööckler. Dazu gleich mehr.

Wie Thorsten schon sagte, war der ganze Tag ziemlich gut organisiert, nicht nur dass der Kühlschrank immer mit Red Bull aufgefüllt wurde. Hab vier Dosen getrunken. Der zuständige Pierre Seidel, sieht nen bisschen aus wie ein 70er Rockstar, heute halt beim Popbüro, gab wiederum eine gute organisierte Einführung, wie wir uns verhalten und was wir beachten sollen – hat der Act Potential, ist der ausbaufähig, kann er auf dem Southside spielen (Gewinner bekommt auf dem Festival einen Slot nächstes Jahr)?

Sprich, nicht die Künstler rigoros niedermachen, sondern mehr Interaktion und so. (Kritische) Tipps geben, lieb sein, bisschen streicheln, Mut machen und nicht: Du bist voll wack. Damn, ich wollte doch mein Sackschießspruch los werden.

Danach ging es in die Räume, Set-Up sah ungefähr so aus.

Weiterhin wurde jeder Jury-Raum mit einem Moderator und einem Assistenten bestückt, der die Lieder abspielte. Unser Moderator wird mal Schauspieler und war ein sehr angenehmer Zeitgenosse. Die Acts traten auf die kleine Bühne, wurden vorstellt, es liefen drei Lieder und dann urteilten wir gewissenhaft.

Ging gut los: Zu Beginn stand ein schüchternes Mädchen oben. Alicia-Keys-Piano-Pop-Soul. Junger Vadder, die konnte singen, ohne dass man ihr in den Sack schießt. Wir Juristen waren nur etwas überfordert, weil wir fanden, das passte nicht so recht in die Sparte „urban“. Aber das sollte im Laufe des Tages noch öfters passieren.

Da wir nur eigentlich insgesamt nur circa 15 Minuten pro Kandidat hatten, stammelte ich danach als erstes schnell was von „voll schön gesungen“ „toll“ „weiter so“ „arbeite mal noch ein deinem PR-Auftritt“ „äh äh äh, Kodimey was willst du sagen?“. Puh. Dass muss tighter werden. War´s bei Kodi dann schon, aber der John-Wayne-Elmar legte richtig los. Hörte gar nicht mehr auf zu reden. Mischung aus Psychologe und Major-Label-Boss. Analysierte die Kleine bis ins Detail als hätte er schon 2.000 Popstars in die Charts gebracht. Puh, hohes Level hier. Eigentlich wollte ich doch nur umsonst Mittagessen.

Schnell kristallisierte sich an dem Tag eine Problematik heraus: Einige Künstler, wie auch eben die erste Dame, wussten nicht so richtig wohin mit sich.Viele Bands waren schon richtig gut, aber oftmals fehlte ein klares Profil, mitunter bisschen die Motivation und eine Ahnung wohin es gehen soll. Was kommt als nächstes? Wo gehts hin? Was ist eure Schublade? Kodimey fand Schublade wichtig, musste ich ihm zustimmen.

Der PlayLive versteht sich als Förderpreis, aber manchmal hatten wir das Gefühl, die Acts wussten selbst nicht so wirklich warum sie eigentlich teilnehmen und was sie sich davon versprechen – bis auf Gigs natürlich. Das haben wir uns auch abends etwas vorgeworfen: Wir hätten öfters mal fragen sollen, warum sie denn eigentlich mitmachen.

Gab natürlich auch andere Fälle: Erst seit einem Jahr am Start und von der Digipack-CD bis zum Promomaterial pipapo durchstrukturiert. Beeindruckend. Andere hatten immerhin ein starkes Image und Konzept vorliegen. Einen eigenen Stil. Manche wiederum waren schon so auf dem Punkt, da fragte man sich, ob sie nicht schon zu weit für so einen Contest sind.

(V.l.n.r.: Der Böse, der Gute, Harald Glööckler)

Im Laufe des Tages kamen wir gut rein und die Sache begann Spass zu machen, auch wenn die Musik öfters nicht unsere war, z.B. hörten wir mehrere Ska-Reggae-Punk-Bands, darunter eine aus Achern. Oh du schönes Achern, kürzlich erst mit Emil dort mal auflegt. Die Band lag somit bei mir sofort im Vorteil: „Seitdem ist Achern meine zweitliebste Stadt nach Stuttgart.“ Elmar hat sich kaum eingekriegt vor Lachen. Hat er mir wohl nicht geglaubt.

Weiterhin im Urban-Portofolio: experimentelle Indie-like Combos, gut eingespielte Funk-Rock-Gruppen, mitunter eine im Altersdurchschnitt von Borussia Dortmund, Xavier-Naidoo-und Alanis-Morissette-Klone.

Also nicht ganz so oft „urban“, zumindest was wir unter urban verstehen. Da Elmar früher in einer Metal-Band gespielt hat, konnte er so ziemlich jeden Kandidaten auf hohem Niveau bewerten und auch sagen, dass die Becken doch etwas zu laut aufgenommen sind. Und sogar Kodi und mir ist aufgefallen, ob die Gitarrenmusik jetzt was kann oder nicht. Die aus Achern konnte übrigens was.

Gänzlich gefehlt haben düster drein schauende Gangster-Rapper aus Renningen. Hab ich mich am meisten drauf gefreut. Oder auf so ein durchgestyltes Live-Electro-Projekt. Oder ne Lady Gaga-Kopie. Kodimey meinte die Rapper wären zu cool für so einen Wettbewerb.

Eine leicht elektronisch angehauchte Funk-Band, die echt gut war, hatte einen eher mittelmässigen Rapper, der ihre Musik runtergezogen hat. Ich meinte: „Euer MC rappt wie Fanta4 früher: `Ich bin der Smu und wer bist du?´.“ Ja, das würden sie schon wissen, aber der gehört halt zur Band und ist der Publikumsliebling. Elmar hat gleich wieder die Heuschrecke gemacht und Entlassungsmaßnahmen empfohlen. Ich: „Ja, wie ist das dann bei euch im Studio, was sagt ihr dann zu dem: Rap mal besser?“

Als wir vom Mittagessen zurückkamen sassen schon die nächsten Kandidaten im Raum und ich stellte uns vor: „Elmar ist der böse, Kodimey ist der Gute…“ Elmar hakte ein: „Und du bist der von Let´s Dance! Harald Glööckler!“ Dann war ich halt Harald Glööckler. Wobei der Elmar irgendwann einer Band vorschlug mit Flamingos (!?) aufzutreten. So als USP. Oder mit 20 Tänzerinnen. Elmi war definitiv der Visionär unter uns. So viel zu Harald Glööckler.

Am Ende mussten wir ein Ranking erstellen. Bei den Tops waren wir uns relativ einig. Oder manchmal auch nicht. „Heute früh fand ich die Band noch gut“, meinte ich beim Bilanzieren am Nachmittag. Gab noch drei andere Bereiche und insgesamt kommen nach diesem „Demo-Marathon“ 16 Acts weiter. Weiß ich nicht, wer das jetzt gerissen hat. Weiß aber, dass der Tag mit Elmar und Kodimey und den Bands ziemlich Fun gemacht hat. (Das Wort Fun muss man ab und zu schreiben nur um den Krupa zu ärgern.) Denke die eine oder andere Band hat auch etwas mitgenommen. Und wenn sie ab sofort wenigstens mit Flamingos auftritt.

P.S.: Oder mit den Klobürsten, die in der Wikingerstube nicht benutzt werden. Auch ein USP.

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9 Comments

  1. „Der Böse, der Gute, Harald Glööckler“ :- )
    hab gestern mit Erschrecken im Hugendubel gesehen (Jeden Tag bis 21.00 Uhr geöffnet, die alten Shitkicker), dass der n eigenes Buch hat. Stand zwischen Biographien von Maffay und Robbie Williams.
    Jetzt sehe ich bei amazon: Kunden, die Harald Glöckler kauften, kauften auch: Carl XVI. Gustaf: Der widerwillige Monarch.

  2. says: schmudos

    dass das junge Alicia-Keys-Piano-Pop-Soul Mädel gut singen konnte ohne dass man ihr in den sack schiesst is auch echt gut für sie. verbesserung durch in den sack schiessen wär da glaub eher schwierig… 😀

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