DEKT15. Recap Kirchentag

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Wenn wir uns jetzt alle bitte wieder beruhigen würden – es ist vorbei. Der nächste ist erst wieder 2017 und in Berlin und Wittenberg.

Und das nächste Mal, dass tausende von Menschen mit rotweißen Schals durch Cannstatt laufen, wird am 16. August sein – und der Gegner wird nicht Satan heißen, sondern eher Mainz 05. Thank god, wird sich da die Schnittmenge aus VfB-Anhänger und Kirchentag-Gegner denken.

Die Frage bleibt, für wen diese vier Kirchentage aufregender waren: für die Teilnehmer oder die Anrainer. Aber laut Twitter war das das Schlimmste, was euch allen hätte passieren können: Eure Stadt mit Menschen teilen zu müssen, die an etwas glauben. Und sei es an etwas so Altmodisches wie Gott.

Dass der letzte Woche seinen Blitz bei Rock am Ring hat einschlagen lassen und nicht beim Kirchentag, ist ja auch ein schönes Themenkärtchen für eine spirituelle Grundsatzdiskussion.

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(Sonst war die Stimmung auf Twitter aber eher anti)

Bemerkenswert, dass man in Stuttgart 30.000 strunzbetrunkene Oranje-Fans vor ein paar Jahren niedlicher fand als jetzt 250.000 „Christen“, wie sie des öfteren beschimpft wurden. Als sei das was, was sich nicht ziemt.

Erstaunlich auch, wie viel Berührungsängste in der Twitter Timeline und auf facebook zu spüren und zu lesen waren. Ein Bierbike- oder Segway-Ausflug kommt uns inzwischen weniger befremdlich vor, als friedliche Besucher, von denen wahrscheinlich kaum einer besoffen war und die aber trotzdem immer wieder bestaunt wurden wie Metalheads in Wacken. Dabei gäbe es für Fremdeln eigentlich keinen Grund: meines Wissens hat Gott einen Bekanntheitsgrad von 100%.

Zugegeben, die meisten Besucher konnten wohl weder richtig Strampe fahren, noch Schuhe gescheit binden, was die hohe Sandalendichte von Mittwoch bis Sonntag ein wenig entschuldigt.

Trotzdem darf man auch mal lanzebrechen und unpopulär dafür sein. Wir haben in dieser Stadt schon miesere Stimmung und schlechtere Organisation erlebt. Und alle, die gehofft haben, dass ktv jetzt den dekt basht, muss ich enttäuschen: ich fand die Veranstaltung nicht blöd; hab sie aber auch wirklich nur von Mittwoch bis Freitag am Rande und Samstagmorgen dafür mittendrin statt nur dabei erlebt.

Und ich weiß jetzt natürlich auch nicht, ob wir, jetzt wie auf der Packung angekündigt, alle klug geworden sind. Aber wie gesagt, blöd war’s auch nicht. Was ja bekanntermaßen das schwäbische Lob ist.

Jetzt sind also alle Schäfchen wieder im Trockenen – und wir haben noch drei, vier, fünf Bilder. Den gesamten Speicherkarten-Download überlassen wir gern den Fotostrecken von STZ/STN.

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Morgan Freeman in seiner Rolle als Kofi Annan in da house. Talkin’ about climate change, refugees and peace. Ebenso Frank-Walter Steinmeier:

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Regio auch in da house. Not talkin’ at all. Wo war eigentlich der Spartensender stuggi.tv? Beim Holi-Festival?

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Merchandise bissle verbesserungswürdig – aber in dieser Hinsicht haben sich letzte Woche sogar die Foo Fighters vergriffen.

Und jetzt noch: OB Kuhn war begeistert, Pressemitteilung Stadt Stuttgart.

OB Kuhn: „Kirchentag war ein Geschenk für Stuttgart“

Mit einem großen Schlussgottesdienst auf dem Cannstatter Wasen ist am Sonntag, 7. Juni, der 35. Deutsche Evangelische Kirchentag in der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart zu Ende gegangen.

Oberbürgermeister Fritz Kuhn, der selbst zahlreiche Veranstaltungen in der Innenstadt und im Neckarpark besucht hatte, zeigte sich beim Schlussempfang der Evangelischen Landeskirche in Württemberg im Kursaal in Bad Cannstatt begeistert von der Stimmung in der Stadt: „Wir haben fünf hervorragende Tage erlebt. Fröhliche und entspannte Besucherinnen und Besucher, ein vielfältiges Programm, anregende Diskussionen, inspirierende Gespräche – und das alles bei tollem Wetter. Ich denke, wir alle sind in den letzten fünf Tagen auf die eine oder andere Art ein bisschen klüger geworden. Für Stuttgart war der Kirchentag ein Geschenk, und dafür sind wir sehr dankbar.“

Sein persönliches Highlight sei nicht ein einzelnes Ereignis gewesen, „sondern dass fünf Tage lang in großer Ernsthaftigkeit um Gemeinschaft gerungen wurde. Dabei zog sich die Losung wie ein roter Faden durch alle Gespräche.“ Und eine Botschaft habe er aus vielen Veranstaltungen herausgehört: „Vergesst die Flüchtlinge und die Fluchtursachen nicht.“

Der Oberbürgermeister sagte: „Mein Lob geht an die Veranstalter des Kirchentags und an die vielen ehrenamtlichen Helfer. Und mein Dank geht an die vielen städtischen Dienststellen, an Polizei, Feuerwehr und Sanitätskräfte, an unsere SSB und die Bahn. Sie alle haben Hand in Hand gearbeitet und dazu beigetragen, dass der Kirchentag allen als ein rundum gelungenes Glaubensfest in Erinnerung bleibt.“

Kuhn dankte auch den Stuttgarter Bürgerinnen und Bürgern, die nicht nur 10.000 „Gräbele“ für Kirchentagsbesucher zur Verfügung gestellt haben, sondern sich in den letzten Tagen auch als „großartige Gastgeber“ präsentiert haben: „Tolerant, weltoffen, gastfreundlich und stets hilfsbreit“, betonte Kuhn.

Zufrieden zeigte er sich auch von der friedfertigen Stimmung in der Stadt: „Nach Angaben der Polizei gab es keine besonderen Zwischenfälle.“ Und obwohl die Bahnen teilweise sehr voll gewesen seien, hätten sowohl Helfer als auch Besucher sehr diszipliniert, verständnisvoll und umsichtig reagiert. Selbst das teilweise extreme Wetter habe nicht zu schweren Zwischenfällen geführt: „Die Veranstalter und Sanitätsdienste waren auch darauf bestens vorbereitet.“

Für den Bischof der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, Frank Otfried July, wird die Losung ‚damit wir klug werden‘ den Kirchentag überdauern. „Wir werden die Tage in Stuttgart in guter Erinnerung behalten. Dieser Kirchentag hat uns das Unterscheiden gelehrt“, sagte July beim Schlussempfang. Kirchentagspräsident Andreas Barner dankte Stuttgart und allen Organisatoren für den „wunderschönen“ Kirchentag. Besonders beeindruckt habe ihn die Stimmung und das Klima, gleich ob bei den Gottesdiensten oder den Veranstaltungen.

Behörden und Verkehrsbetriebe rundum zufrieden mit Verlauf des Kirchentags

Auch die Leiterin des Stuttgarter Ordnungsamts, Dagmar Koller, spendete den Organisatoren des Kirchentags großes Lob. „Erneut hat sich gezeigt, wie sinnvoll es ist, dass der Veranstalter, die Landespolizei, die Bundespolizei, die SSB, die Deutsche Bahn, die Branddirektion, der Sanitätsdienst und das Amt für öffentliche Ordnung während des Kirchentags gemeinsam an einem Tisch saßen“, so Koller. Das Sicherheitskonzept habe sich bewährt, um auf alle besonderen Herausforderungen dieses Kirchentags flexibel zu reagieren.

Der Einsatzleiter vom Polizeipräsidium Stuttgart, Polizeidirektor Andreas Stolz, erklärte zum Abschuss des Kirchentags: „Dank der stets freundlichen und verständnisvollen Teilnehmer des Kirchentags konnte Stuttgart ein großes friedliches Fest bei hochsommerlichen Temperaturen feiern.“

Die Maßnahmen der Polizei Stuttgart hätten sich größtenteils auf Verkehrsmaßnahmen und die Lenkung der Besucherströme beschränkt. Trotz der hohen Besucherzahlen habe es keine nennenswerten Vorkommnisse gegeben. „Die intensive Vorbereitung der Polizei gemeinsam mit der Stadt Stuttgart, dem Veranstalter und allen Partnern hat sich ausgezahlt“, so der Polizeidirektor.

Nils Himmelmann, SSB-Betriebsleiter, lobte ausdrücklich das Kirchentagspublikum: „Solche Gäste kann sich ein Verkehrsbetrieb nur wünschen.“

Die SSB ermöglichte nach eigenen Angaben rund 4.000 zusätzliche Fahrten von Bussen und Bahnen. Die Stadtbahnlinie U11 pendelte täglich rund 17 Stunden lang zwischen Neckarpark und Innenstadt, in der Regel im 5-Minuten-Takt. Dafür wurden bis zu 30 Stadtbahnen eingesetzt. „Mein Dank geht an das große SSB-Team, das den Kirchentag vorbereitet und bewältigt und für das gute Bild der SSB in der Öffentlichkeit gesorgt hat. Auch die regelmäßigen Stuttgarter Fahrgäste verdienen ein Dankeschön für ihr Verständnis gegenüber den oft sehr vollen Busse und Bahnen“, so Himmelmann.

Der Evangelische Kirchentag fand nach 1952, 1969 und 1999 bereits zum vierten Mal in Stuttgart statt. Begonnen hatte er am Mittwoch, 3. Juni, mit einem großen Eröffnungsgottesdienst auf dem Schlossplatz. Zum anschließenden Abend der Begegnung in der Innenstadt kamen rund 250.000 Menschen.

In den darauffolgenden Tagen lockten weit über 2.000 Veranstaltungen, darunter zwei Großkonzerte auf dem Cannstatter Wasen und Diskussionsrunden mit Bundespräsident Joachim Gauck, Bundeskanzlerin Angela Merkel und vielen weiteren Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, jeweils etwa 100.000 Dauergäste in die Stadt und die Region. Am Schlussgottesdienst nahmen laut Veranstalter noch einmal rund 95.000 Menschen teil.

Der nächste Kirchentag findet im Reformationsjubiläumsjahr 2017 in Berlin und der Lutherstadt Wittenberg statt.

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9 Comments

  1. says: stadtteil

    genau das!

    ja, die stadt war am wochende voll bis oben hin und ja, das musikalische rahmenprogramm schwankte zwischen stümperhaft und gar nicht mal so spannend, aber wirklich störend war es beim besten willen nicht

    da finde ich horden an besoffenen fussballfans oder dirndl tragende landpommeranzen bedeutend anstrengender

    und die stimmung am samstag abend beim konzert im unipark war wirklich gut, auch wenn niemand vorher den ganzen tag schon palettenweise 5,0% „bier“ in sich reinepumpt hat, dabei hätte man sich die bands vorher eigentlich schon schönsaufen müssen 😉

  2. says: Boomin Granny

    Ich fand „Christen“ einen ganz praktischen Überbegriff für „gebildete MittelstandsbürgerInnen und ein paar wenige sozialschwächere Menschen auch mit Migrationshintergrund mit dabei, die sich was von Vielfalt und schönem Leben erzählen, was ich durchaus sympathisch und sinnvoll finde“.

    Da ich mich mittenrein statt nur außen rum getraut habe, kann ich jetzt allerdings nie wieder Posaunen oder Pfadfinder sehen und bedanke mich trotzdem für die wirklich unverschämt gute Organisation, die jeden anderen Veranstalter allein mit der Rechnung für die Miet-WCs finanziell ruiniert hätte.

    P.S.: Der Uni-Park/Stadtgarten ist offensichtlich eine nette Location für ein nicht allzu großes Open Air. Sollte man im Auge behalten… ach nee, kommt ja eine Baustelle zwecks „Aufwertung“ hin.

  3. says: Herr Cut

    Also auf meinem Weg nach hause am Freitag Nacht gab es da aber schon den ein oder anderen Christen der da mal zu tief ins Glas geschaut hat. Aber im Verhältnis natürlich eher weniger 😉 Fand es auch tagsüber in der Stadt wesentlich angenehmer als abends die Theo hoch zu laufen obwohl es tagsüber fast voller war. Lieber Christen als Doppelkennzeichen

  4. says: cHiller

    Dafür, dass die ganzen Christen an dem Wochenedne an wirklich fast jeder Ecke anzutreffen waren kann ich mir viele andere Gruppierungen vorstellen, bei denen ich mich deutlich unwohler gefühlt hätte.
    Und obwohl ich gänzlich unbeteiligt war und die Hotspots eher gemieden habe kam es mir schon so vor, als ob die ganze Sache sehr gut organisiert war und vermutlich ein großer Erfolg war.

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