Review: Retro Classics auf der Messe Stuttgart

Normalerweise ist natürlich unser Thorsten der Automotorsportmann. Die Retro Classics hat er aber wohl dieses Jahr sausen lassen, das Tattoo-Studio war halt auch schon teuer genug letzte Woche. Dafür war unser Leser Jaytext Vorort und hat uns eine kleine Besucherstudie zugeschickt. P.S.: Okay, Thorsten war auch dort, gleich hier im Foto links zu sehen.

(Begeisterung ist keine Frage des Preises: Die Retro Classics begeisterte die Besucher der Jahrgänge 1983 bis 1993.)

Gespräch in einem südlichen Stuttgarter Vorort, Frühling 2021. Teenager: „Papa, was hast du damals vor zehn Jahren eigentlich gemacht, als mehr als 60.000 Menschen zwischen Stuttgart und Neckarwestheim gegen Atomkraft demonstrierten?“

Ich: „Äh, ich wollte ja auch hin, aber mir kam was dazwischen …“

Denn statt mich am Samstag bei strahlendem Sonnenschein in die Menschenkette einzureihen, schlurfte ich mit der Kamera im Anschlag durch die weitläufigen Messehallen am Flughafen. Einzige Ausrede: Die „Retro Classics“ findet nur einmal im Jahr statt, demonstrieren kann ich auch nächstes Wochenende. Polierter Lack und glänzender Chrom haben eine Anziehungskraft, der sich an den vier Messetagen insgesamt 66.000 Besucher nicht entziehen konnten.

(Oldtimer-Fahrer durften ihre Schätzchen vor dem Haupteingang parken.)

Es begann am Donnerstag mit einem exklusiven „Preview“ für Journalisten und zahlungskräftige Interessenten. Reflexhaft holten Süddeutschlands AnwälteZahnärzteAnlageberater ihren sündteuren Lederblousons und gutsitzenden Edeljeans aus dem Kleiderschrank und schlenderten durch die Hallen 1 bis 5.

Nur nobelste Oldtimer standen hier: Mercedes, Jaguar, Porsche, etc. Natürlich toprestauriert, oft besser als neu. Die Klassik-Abteilungen der Hersteller zeigten, welch schöne Autos sie früher bauen konnten, „internationale Premiumhändler“ gruppierten auf ihren weitläufigen Flächen vierrädrige Raritäten, deren Preisschilder nicht selten sechsstellige Summen zierten. Der Oldie als Wertanlage ist anscheinend sehr gefragt, der Normalverdiener darf träumen.

Auf die anschließende „Retro Night“ mit Nervschnurrbart Horst Lichter und Musik von „The Barons“ musste ich übrigens mangels Babysitter für den künftigen Teenager leider verzichten. Falls die Veranstalter für nächstes Jahr ähnliche Hochkaräter buchen: Welche KTV-Leserin möchte eine entzückende Fünfjährige zu Bett bringen?

(„Der hat ja gar koin Spiegel rechts!“)

Kontrastprogramm dann am Samstag und Sonntag in Halle 7 (Markenclubs) und 9 (Teilemarkt). Hier schlackerten ausgebeulte Jeans um Männerbeine, hingen die karierten Flanellhemden nicht an schmalen Modeblogger-Schultern, sondern wölbten sich über pralle Bierbäuche. Die Haarmode? Statt gegeltem Gutti-Schopf trug Mann unironischen Vokuhila (Nein, ich hab‘ mich nicht getraut die Typen zu fotografieren) oder langen Pferdeschwanz. Und durch die Gänge rumpelte rauer Alb-Dialekt statt angesnobtem Honoratiorenschwäbisch.

(Gemischtwarenladen à la Retro Classics)

Erstaunlich viele Familien und rüstige Rentner mischten sich unter das wissend kommentierende „Fach“-Publikum. Enthusiasten wie die Mitglieder des „Opel Club Schwarzwald Baar“ hatten ihre Youngtimer mitgebracht, sympathische Überzeugungstäter standen Interessierten für ein Schwätzchen bereit, geschäftstüchtige Edelschrott-Krämer boten Ersatzteile, antiquarische Bücher, Modellautos und, ähm, Bademützen an. Kurz, ein Paradies für Menschen mit dem vielzitierten Benzin im Blut.

Das wahre Highlight für viele Besucher: die Fahrzeugbörse in Halle 6. Vom biederen B-Kadett über den omnipräsenten 911 und den geilen Lancia Delta Integrale bis zur 65er Corvette oder den MG Roadster von 1933 (Verhandlungsbasis 120.000 Euro) lockten zum Teil wunderschöne und rare Autos. Ob ich zugeschlagen habe? Diesmal nicht, aber bei mobile.de gibt’s gerade einen hellblauen R4 mit H-Kennzeichen …

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14 Comments

  1. says: Thorsten W.

    @Martin, wenn Du noch bei Facebook wärst wüsstest Du, dass ich (natürlich) zwei Mal auf der Retro war, Samstag und Sonntag. Geht ja gar nicht anders.
    @Jaytext: Ein Roadrunner?

  2. says: jaytext

    Thorsten, danke für die Teilnahme am Bilderrätsel. Als einziger in der Lostrommel kriegst natürlich Du den 1. Preis: eine Apfelschorle bei der nächsten Rollerausfahrt 🙂
    Auflösung? Äh, weiß eigentlich nur dass es ein Dodge ist. Charger oder Challenger oder gar Baujahr? Keine Ahnung (und die Bing-Suche ergab auch nichts Erhellendes). Sorry für die schlampige Recherche – ich war ja auch privat und nicht beruflich unterwegs…

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